Herr Mackenbach, wie hat sich der Service für Elektrik- und Automationssysteme durch die COVID-19-Pandemie verändert?

Ralf Mackenbach: Bereits vor der Pandemie haben wir die Möglichkeiten der Remote-Unterstützung intensiv genutzt, um effektiv und schnell unsere Kunden im Produktionsalltag zu unterstützen. Um Gesundheit von Kunden und unseren Mitarbeitenden in dieser unruhigen Zeit zu schützen, waren wir gefordert, die Remote-Tätigkeiten auszuweiten. Besonders bei kleinen, ursprünglich vor Ort geplanten Modernisierungen haben wir verstärkt auf Remote-Ausführung gesetzt. Das hat immer gut funktioniert und Reisetätigkeiten konnten auf ein Minimum reduziert werden.

Wie funktioniert diese Remote-Unterstützung konkret?

Helmut Beckmann-Lenneper: Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen. Ein deutscher Kunde rief einen Tag vor Weihnachten 2020 unsere 24/7-Rufbereitschaft an, weil es Probleme an einer Warmbandstraße gab. Bei bestimmten Banddicken wurde das Walzen instabil und dies führte teilweise zur Produktionsunterbrechung. Der Kunde initiierte den Remote-Zugriff für unseren Techniker, der dann zunächst die Diagnoseschriebe der betroffenen Bänder analysierte. Er konnte schnell feststellen, dass die Messwerte eines Weggebers an der Walzspalteinstellung nicht plausibel waren. Der Geber wurde zunächst deaktiviert und es konnte problemlos weiterproduziert werden. Im nächsten Wartungsstillstand wurde der Geber dann getauscht. Alle Schritte dieses „Service-Cases“ wurden in unserem CRM-System dokumentiert. So stehen diese neuen Erkenntnisse auch anderen Servicetechnikern zur Verfügung.

Ein weiterer Hotline-Call im Dezember 2020 kam von einem amerikanischen Kunden. Seine Anlage war während der Produktion plötzlich automatisch gestoppt worden (E-Stop). Unser Techniker schaute sich über den Remote-Zugang die Logfiles und andere verfügbare Daten an. Schnell legte er sich darauf fest, dass es Kommunikationsprobleme in einem internen Netzwerk gab. Er empfahl dem Kunden den Austausch eines Netzwerk-Switches, was das Problem an der Anlage löst.

Ralf Mackenbach (links) und Helmut Beckmann-Lenneper.

Es geht also im Wesentlichen um akute Probleme bei den Kundenanlagen?

Helmut Beckmann-Lenneper: Natürlich nutzen wir den Fernzugriff auch für geplante Maßnahmen im Service und während Inbetriebnahmen. Zum Beispiel hatten wir kürzlich die Anfrage eines türkischen Kunden, der zusätzliche Sensoren in seine Anlage einbringen wollte. Die erforderliche Hardware-Erweiterung des Feldbussystems wurde mit uns geplant und vom Kunden ausgeführt. Die Einbindung der neuen Signale in die Automationssoftware wurde von unseren Experten dann über den Fernzugriff realisiert. Und in der aktuellen Pandemiesituation haben wir auch schon komplexere Modernisierungen auf diese Weise umgesetzt. So konnten einige Reisen vermieden werden und trotzdem konnten wir die Kunden bei geplanten Maßnahmen unterstützen.

Welchen Schwerpunkt haben Modernisierungen, die Sie mit Ihrem Serviceteam realisieren?

Ralf Mackenbach: In unserem Servicebereich konzentrieren wir uns sowohl auf Updates der Systemsoftware als auch auf Upgrades der Systemhardware der unterschiedlichsten Automationssysteme. Abhängig von Kundenanforderungen planen wir Modernisierungen für alle Automationssysteme mit kurzen Installations- und Inbetriebnahmezeiten. Dabei setzen wir immer auf eine optimale Kombination zwischen Remote-Service und Vor-Ort-Einsätzen.

Wir sind sowohl bei Software-Updates als auch bei Hardware-Upgrades verschiedenster Automatisierungssysteme aktiv.

Helmut Beckmann-Lenneper: SMS group setzt für die Basisautomation und technologische Regelungen im Walzwerkbereich bereits seit 25 Jahren das konsequent modulare X-Pact®-ProBAS-Automationssystem ein. Ein X-Pact®-ProBAS-Upgrade auf die neueste Hardware-Generation führen wir innerhalb von ein bis zwei Tagen aus, unabhängig vom Inbetriebnahmejahr des alten Systems. Nach so einem Upgrade kann die Produktion sofort zu 100 Prozent wieder aufgenommen werden.

Welche Ihrer Kunden können von den RemoteService-Vorteilen profitieren?

Ralf Mackenbach: Die Grundlage für die Nutzung der 24/7-Hotline und der dahinterstehenden Rufbereitschaft mehrerer SMS group-Experten ist ein entsprechender Servicevertrag. In der Regel schließen wir mit unseren Kunden einen Vertrag mit einer Laufzeit von ein bis drei Jahren ab. Dieser bildet auch die rechtliche Grundlage für die Ausführung unserer Remote-Services. Neben dem Zugang zu der Rufbereitschaft und einem Stundenkontingent für die Serviceleistungen, beinhalten diese Verträge auch weitere Module des X-Pact® Service. Zum Beispiel werden auch die Bedingungen für spontane oder geplante Vor-Ort-Einsätze vereinbart. Generell liefern wir die technische Möglichkeit für die Fernunterstützung mit jeder neuen Anlage aus. Aktuell haben wir weit über 100 aktive Verbindungen zu unseren weltweiten Kunden. Intern nutzen wir das X-Pact® Service Portal schon während des Engineerings, des Plug & Work-Integrationstests und der Inbetriebnahmen. Innerhalb des globalen Netzwerkes der SMS group stehen den Kunden sowohl Software-Experten als auch Technologen aus den Entwicklungsabteilungen für Problemlösungen zur Verfügung.

X-Pact® Service Portal - unsere Plattform für Expertendiagnosen

Welche digitalen Tools stehen dabei den X-Pact® Service-Experten zur Verfügung?

Ralf Mackenbach: Die SMS group verfolgt schon seit vielen Jahren eine Digitalisierungsstrategie, bei der unser X-Pact® Service Portal erfolgreich für Inbetriebnahmen und den After-Sales-Service eingesetzt wird.

Dazu haben wir im letzten Jahr eine deutliche Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten und der digitalen Funktionen des Portals realisiert. Über die sichere Verbindung des X-Pact® Service Portals nutzen wir nun auch AR-Brillen an den Anlagen und ermöglichen einen direkten Austausch mit den Kundenspezialisten per Chat, Audio, Video oder Whiteboards. Außerdem gibt es mittlerweile eine mobile Version des X-Pact® Service Portals, die den Kundenmitarbeitern ermöglicht, ihren Service-Call direkt von ihrem Smartphone zu initiieren. Weitere mobile Applikationen sind in Planun

Welche Rolle spielt Ihr Team bei der Realisierung von Equipment-as-a-Service-Aufträgen?

Ralf Mackenbach: Ein wesentlicher Bestandteil der Equipment-as-a-Service(EaaS)-Modelle sind Elektrik- und Automationsumfänge, die unter anderem von unseren Experten im X-Pact® Service geleistet werden. So spielt unser Remote-Service bei der Optimierung und der damit einhergehenden Performance-Steigerung dieser EaaS-Anlagen eine zentrale Rolle.